Murphys Gestz im Amt

Ein Politiker wurde in einem Interview gefragt, wie viele Menschen im Öffentlichen Dienst arbeiten. Nach kurzem Überlegen antwortete er: „Höchstens die Hälfte!“
 
 
 
 
 
Murphys Gesetz im Amt
  
Ich darf doch um etwas mehr Ruhe bitten, ja.
Na also, geht doch.
 
Haben sie auch ständig Akten im Schrank, mit denen sie nie arbeiten und die nur im Weg hängen? Aber sobald diese Akten in den Keller wandern, werden sie dringend gebraucht.
Oder knurrt ihr Magen in Dienstbesprechungen grundsätzlich dann, wenn alle um sie herum plötzlich leise sind?
Dann haben sie schon Bekanntschaft mit Murphys Gesetz gemacht.
In der Kurzform lautet es: alles was schief gehen kann, geht schief.
Wenn etwas auf verschiedene Arten schief gehen kann, dann geht es immer auf die Art schief, die den größten Schaden anrichtet.
Und wenn etwas zu gut erscheint, um wahr zu sein, dann ist es das mit Sicherheit auch.
 
Lassen Sie mich die vorgestellten Thesen an Hand eines Beispiels erläutern.
Sie kennen sicher die Cafeteria im Amt. Hier haben die Naturgesetze noch ihre ursprüngliche Bedeutung. Hier dreht sich alles um die seit Jahrtausenden existierende Frage, wer als erstes die Feuerstelle erreicht, nur dass mittlerweile kein Mammut mehr am Spieß brutzelt, sondern der Kaffee aus der Maschine dampft.
Leider drängen sich vor der Kaffeemaschine immer mindestens zwei ganze Abteilungen.  
Ich habe ja eine persönliche Hitliste der Sachgebietspaarungen in der Warteschlange, die behalte ich jetzt aber für mich, ich brauche den Job. Außerdem: wer im Glashaus sitzt, sollte zum Nasebohren besser in den Keller gehen. Schließlich steht auch das Jugendamt in punkto Geselligkeit vor der Kaffeemaschine den übrigen Sachgebieten in nichts nach. Frei nach dem Motto: wie viele Sozialpädagogen benötigt man, um eine Kaffeemaschine zu bedienen?
Wenn´s schnell gehen soll: keinen.
Nun gut, ich stehe also in der Schlange vor dem Automaten und warte auf die nächste Katastrophe. Es dauert. Es geht stockend voran.
Bis ich an der Reihe bin, ist mein Hemd aus der Mode gekommen.
Endlich am Ziel meiner Träume gibt es sogar noch Tassen.
Vergessen sind alle bösen Vorahnungen, ich werfe die Münze ein und dann der Niederschlag. Kein Kaffee schäumt. Stattdessen blinkt auf dem Display: >Satzbehälter leeren<.
Ich weiß ja nicht, wie sie in solchen Situationen reagieren, aber ich bleibe da absolut ruhig.
Ist einfach so meine Art.
Kein böses Wort kommt über meine Lippen und auch kein Geschrei.
Geschrei kommt allerdings von den vier Kollegen, die mich an Armen und Beinen von der Kaffeemaschine wegziehen wollen und es nicht schaffen, weil ich mich mit den Zähnen im Metallgehäuse verbissen habe.
 
Ist soweit das Prinzip von Murphys Gesetz im Amt klar?
Hier hinten gibt es wie üblich noch Fragen. Gut. Also noch ein Beispiel.
Wir haben im Amt eine Rückzugsmöglichkeit von unvergleichlichem Charme, eine Insel des Friedens in einer ansonsten gnadenlosen Welt - die Stockwerkstoilette im ersten Obergeschoss, westliches Treppenhaus.
Hier ist die Männerwelt noch in Ordnung, denn auf die Damentoilette wurde zu Gunsten des gläsernen Übergangs in den Nordflügel verzichtet.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn die Kolleginnen in höchster Not in den zweiten Stock springen müssen?
Egal, über derartige Fragen kann Mann gelassen philosophieren an diesem Ort der Stille und der Versenkung.
Der inneren Versenkung.
Der einzige Nachteil dieser letzten Männerdomäne im Amt ist die Lichtversorgung.
Im einsachzig auf ein Meter großen Hinterzimmer, in dem die nichtöffentlichen Sitzungen stattfinden, gibt es keinen Schalter. Man ist daher auf Gedeih und Verderben den Gästen im Vorraum ausgeliefert, die direkt neben dem Waschbecken die Lichtgewalt ausüben.
Eine Steilvorlage für Murphys Gesetz.
Ich sitze also im Separee und bin mit mir im Reinen. Da höre ich, wie die Tür zum Treppenhaus brachial aufgerissen wird, schätzungsweise zwei Zentner wuchten sich gegen meine kleine Kabine.
Miltenberg, 9:30 Uhr, Nieselregen. Die Klotür hält.
Der ungestüme Besucher geht nebenan, wo man der Natur auch im Stehen zu ihrem Recht verhelfen kann.
Na also, geht doch.
Beim Verlassen der Toilette macht er natürlich das Licht aus.
Ein Kurzzeitgedächtnis wie eine Amöbe, schließlich ist er noch vor 30 Sekunden gegen meine verschlossene Tür gerannt.
Ich sitze im Dunkeln und suche die Wand nach der Klorolle ab.
Wenn ich als Kind beim Abendessen in der Dämmerung immer die Festbeleuchtung einschalten wollte, meinte meine Mutter in perfektem Mainfränkisch: „Dai Gosche wäste aah im Dungeln finne!“
Diese Erkenntnis ließe sich in meiner jetzigen Situation sicherlich auch symmetrisch auf die unteren Körperregionen spiegeln, aber für das Controlling braucht man Licht.
Also Tür auf und mit der Hose an den Knöcheln zum Lichtschalter am Waschbecken gehopst. Sie haben sicher schon das Gesetz von Murphy verinnerlicht und wissen, dass bis jetzt bereits einiges schief ging, die absolute Katastrophe aber noch aussteht.
Es überrascht sie folglich nicht, dass genau in dem Moment, da ich meine Arme nach dem Lichtschalter ausstreckte, die Gangtüre aufgerissen wird und eine Kollegin mit Gießkanne in der Hand vor mir steht.
Erwähnte ich schon, dass sich die Damentoilette ein Stockwerk höher befindet?
Es gibt Tage, da möchte ich einfach nur nach Hause gehen.
Wenigstens stehe ich jetzt wieder im Hellen.
 
Die Beispiele haben jetzt hoffentlich gezeigt, dass es früher oder später immer zur schlimmstmöglichen Verkettung von Umständen kommt.
Aber ich will meinen Vortrag nicht beenden, ohne noch auf eine Sonderform, quasi eine Ableitung von Murphys Gesetz ins Positive hinzuweisen.
Manchmal funktioniert nämlich etwas gerade dort perfekt, wo man es am wenigsten erwartet hätte.
Was könnte zur Verdeutlichung dieser These besser dienen als ein Gerät, dessen einzige Aufgabe das Scheitern ist: der Computer.
Wenn ich so arbeiten würde wie ein Computer, dann könnte ich mit einem neuen Bleistift nicht mehr auf meinem alten Notizblock schreiben und niemand würde sich wundern, wenn ich zweimal am Tag in Ohnmacht falle und danach wieder neu eingearbeitet werden muss. Früher hatte ich bei meiner Arbeit viele Probleme. Seit der Computer auf meinen Tisch steht, habe ich nur noch eines.
Aber ich will nicht ungerecht sein. Der Computer mit seinem Hang zu Katastrophen hat in der Umkehrung von Murphys Gesetz auch seine guten Seiten.
Gerade die Unmengen an Fehlern in Papierform, die von diesem digitalen Hooligan produziert werden, begründen nämlich die Renaissance  einer Maschine, die ohne den Computer ein isoliertes, unbeachtetes Dasein fristen würde: des Aktenvernichters - oder kurz Reißwolf genannt.
Reißwolf und Computer bilden eine Allianz, die sich in ihrer Gegensätzlichkeit in die großen Duette der Weltgeschichte einreihen lässt. Was wäre Dr. Jekyll ohne Mr. Hide, was Thomas Anders ohne Dieter Bohlen oder die Bundesliga ohne den FC Bayern München?
 
Der Reißwolf, der mit meinem Computer eine tiefe, symbiotische Verbindung eingegangen ist, steht im verglasten Etagenzimmer im dritten Stock.
Kürzlich schlendere ich an eben diesem Etagenzimmer vorbei, da sehe ich aus den Augenwinkeln eine junge Auszubildende, auf dem einen Arm einen Stapel Akten, mit der freien Hand versucht sie vergeblich, den Reißwolf einzuschalten.
Ein lustiges Liedlein pfeifend, die Hände in den Hosentaschen, gehe ich ein paar Schritte rückwärts.
Bedauernswert, wie sich das junge Ding abmüht.
Dabei ist es gar nicht so schwer, man muss nur wissen, wann man den schwarzen und wann man den roten Knopf drückt. Mit federndem Gang betrete ich das Etagenzimmer, ein paar Handgriffe und schon rattert das Papier durch den Einzug und wird im Innern der Maschine  zu spaghettidünnen Streifen zerschnitten. 100 Blatt pro Minute, 4 Minuten lang.
Die Auszubildende lächelt mich mit bewunderndem Blick an, ich liege lässig mit dem Ellenbogen auf dem Reißwolf.
Ja, das ist es einfach, was wir Männer im vorgerückten Alter den jungen Kerlen mit Waschbrettbauch voraus haben: Erfahrung und ein weltmännischer Umgang mit Problemen. Ich genieße diesen Triumph, Murphy hat keine Chance. Diesmal läuft alles wie geschmiert. Mit eingezogenem Bauch schreite ich zur Tür, die schmachtenden Blicke der Auszubildenden im Rücken. Ich bin schon fast wieder auf dem Gang, da flötet sie mir hinterher:
„Und wo kommen jetzt die Kopien raus?“
Mir wird schwarz vor Augen.
Na also, geht doch.